Heiße Luft von Markus C. Schulte von Drach

Das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass die Komplementärmedizin, die Homöopathie zumal, so wichtig ist, dass die SZ online ihr gleich zwei Seiten widmet (*), um eine weitere Ausbreitung der Unheilslehre zu verhindern. Ich dachte, nach allem was man in den letzten Jahren so lesen konnte, sie wäre tot, wissenschaftlich erledigt und ohnedies nur von Randständigen benützt, von Unverbesserlichen und irrationalen Esoterikern, deren es ja nur ganz wenige in unserer aufgeklärten Welt gibt. Weit gefehlt. Anscheinend ist die Gefahr, dass die Welt von der „Wahnsinnslehre Komplementärmedizin“ in den irrationalen Abgrund gezogen wird so groß, dass man richtig ins Horn blasen muß, um die Geister der Vernunft zu den Fahnen zu rufen.

Das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass die Komplementärmedizin, die Homöopathie zumal, so wichtig ist, dass die SZ online ihr gleich zwei Seiten widmet

Was ist geschehen? In Zürich wird gerade der Lehrstuhl für Naturheilkunde neu vergeben. Er war vom Zürcher Volk vor vielen Jahren geschaffen und seit dieser Zeit von Prof. Reinhard Saller, einem kenntnisreichen Phytotherapie-Forscher und Arzt besetzt. Dass dieses Wirken segensreich war und die Stelle daher weiterbestehen sollte, stellte offenbar eine Strukturkommission fest, so dass sie wieder ausgeschrieben wurde. Dazu gab es ein offizielles Ausschreibungsverfahren, eine ganz Reihe von Bewerbern, von denen fünf ausgewählt und eingeladen wurden öffentlich und intern vor der Kommission ihre Forschungen und Vorstellungen vorzutragen. Soweit ein ganz gewöhnlicher Vorgang.

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Komplementärmedizin in der Gesundheitsversorgung Europas

Vor kurzem habe ich eine eintägige Konferenz im Europa-Parlament in Brüssel moderiert, bei der einige Fakten und Fragen zur Komplementärmedizin in der Gesundheitsversorgung Europas Thema waren (http://epha.org/a/5387). Hier sind ein paar Eindrücke, Marksteine und Gedanken.

Das Bemerkenswerte war für mich, dass wir, nach bald 20 Jahren von Gesprächen und Kontaktaufnahmen mit der EU-Kommission und mit Vertretern im Parlament, nun das Ohr von drei Parlamentariern hatten, die die Konferenz als Gastgeber organisierten und damit im Parlament ansiedeln konnten. Frau Pietikäinen aus Finnland, Frau Antonescu aus Rumänien und Herr Peterle aus Slovenien richteten die Tagung aus. John Dalli, der damals noch Gesundheitskommissar war, liess den Versammelten eine Video-Grussbotschaft zukommen.

So viel offenkundige Unterstützung für die Komplementärmedizin gab es in Europa noch nie.

In Kürze erscheint die Sondernummer zum ersten europaweiten Forschungsprojekt „CAMbrella“ (www.cambrella.eu) der „Forschenden Komplementärmedizin“ (www.karger.com/fok), der Zeitschrift, die ich herausgebe. „CAMbrella“ wurde auch nochmals auf dieser Tagung vorgestellt und wird am 29.11.2012 in Brüssel die Ergebenisse präsentieren. Ich habe zu „CAMbrella“ ein Editorial geschrieben, in dem ich die Geschichte der Bemühungen kurz schildere. Zwei Einzelprojekte wurden bislang aus Brüsseler Etat gefördert. Jetzt, im 7. Rahmenprogramm, gibt es zum ersten Mal eine konzertierte Aktion.

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Harald Walach zur Verleihung von „Das Goldene Brett“ 2012

Dankesrede von Harald Walach zur Verleihung von „Das Goldene Brett“

Versammelte Gemeinde, werte Jury,

ich bedanke mich von Herzen für die Ehre, heute diesen bedeutsamen Wissenschaftspreis entgegen nehmen zu dürfen. Der Nobelpreis wäre mir lieber gewesen, das gebe ich offen zu, aber „Das Goldene Brett“ ist die zweitbeste Wahl, kommt der Preis doch von der zweitwichtigsten Kommission zur Beurteilung guter Wissenschaft nach dem Nobelpreiskomitee.

Was mich wirklich bewegt: eine kritische Sichtung der Annahmen, mit denen wir unser derzeitiges Weltbild hochhalten.

Dass Sie mir diese Ehre erweisen, zeigt mir: Meine Botschaft kommt an. Endlich fühle ich mich verstanden, in der Tiefe. Sie haben nämlich als Erste, vielleicht sogar als Einzige, verstanden, was mich wirklich bewegt – und das rührt mich: nämlich eine Erweiterung unseres Begriffes von Rationalität, eine Erweiterung unseres Begriffes von Heilung und eine kritische Sichtung der Annahmen, mit denen wir unser derzeitiges Weltbild hochhalten.

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„Nur mal kräftig zugestochen“ – Einige Gedanken zur aktuellen Akupunkturkontroverse

Während international über die größte Datenbasis zur Wirksamkeit der Akupunktur diskutiert wird, ergeht sich das deutsche Wissenschaftsfeuilleton in Schweigen. Ich habe darüber vor kurzem im Blog von symptome.ch geschrieben.

SZ über „Risiken der Akupunktur“ – inkompetent berichtet….

In der Zwischenzeit stellt sich heraus: die SZ hat über die Akupunktur prominent und offenbar wissentlich, oder wenn nicht wissentlich, dann ziemlich inkompetent über die Akupunktur berichtet. Sie wurde daraufhin von der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA) presserechtlich verklagt, so dass sie eine Gegendarstellung veröffentlichen mußte.

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Placebologie – das Ende einer Ära?

Vor kurzem war ich auf einer Tagung zum Thema „Placebo“ eingeladen, die das Ethik-Zentrum der Universität Zürich auf dem Monte Veritá in Ascona veranstaltete. Etwa 80 Leute waren da versammelt, darunter viele von denen, die sich schon seit Jahren Gedanken über die Wirkung und Wirkungsweise von Placebos machen. „Placebos“ sind ja jene Substanzen, die in klinischen Studien zur Kontrolle eingesetzt werden. Sie enthalten keine pharmakologisch wirksamen Inhaltsstoffe und dienen daher dazu, die sogenannten „Kontexteffekte“, die „Erwartungseffekte“ oder allgemeiner: die psychologischen Effekte abzupuffern, die bei jeder Behandlung entstehen, damit man die „reine“ Wirkung einer Substanz beurteilen kann.

Dieses Vorgehen läutete in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die pharmakologische Ära ein. Sie verhieß, dass bald für alle möglichen Krankheiten eine pharmakologische Substanz vorhanden sein würde, die sie heilen kann. Die ersten wirksamen Arzneimittel dieses Typs waren, nach den Opiaten zur Schmerzbehandlung, die Antibiotika. Diesen folgten viele andere. Immer mußte man ihre Wirksamkeit nachweisen. Sie müssen wirksamer sein als der Behandlungskontext, also wirksamer als Placebo.

Interessanterweise ist nun das Placebo, genauer gesagt: die therapeutischen Prozesse, die durch Placbobehandlungen ausgelöst werden, in den Focus der Wissenschaft geraten.

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